Am Tag muss das Gebäude bestmöglich vor eindringenden Sonneneinstrahlen geschützt werden. (Foto: © BVST/Elero)

Am Tag muss das Gebäude bestmöglich vor eindringenden Sonneneinstrahlen geschützt werden. (Foto: © BVST/Elero)

Sonnenschutz: Keine halben Sachen

FoWi - Aktuell

Februar 2019

Der letzte Sommer ist geschichtsträchtig: In fast allen europäischen Großstädten gab es deutlich mehr Hitzetage mit einem Höchstwert von mindestens 30 Grad als in einem durchschnittlichen Sommer.

Diese klimatischen Veränderungen sind ganz besonders in den Städten spürbar. Doch über städtebauliche Maßnahmen hinaus können mit traditioneller Sonnenschutztechnik Gebäude diesbezüglich upgedatet werden.

Im Sommer 2018 verzeichneten Wien und Bregenz mit 32 bzw. 16 Hitzewellentagen in Folge einen neuen Rekord. In Wien gab es insgesamt 40 Tropennächte und damit mehr als in jedem anderen Sommer seit Messbeginn. Die Sommertauglichkeit von Wohnräumen, Klassenzimmern und Büros wurde auf eine harte Probe gestellt und für viele Menschen, Tiere und Pflanzen stellten die außergewöhnlichen Werte eine große Herausforderung dar.

Der Klima- und Energiefonds präsentierte Mitte September einen europaweit einzigartigen Sachstandsbericht, der vor gesundheitlichen Risiken des Klimawandels warnt. "Dieser Sachstandsbericht verdeutlicht, dass wir uns in den nächsten Jahren auf vier zentrale Bereiche konzentrieren müssen: Hitze, Allergien, Extremwetterereignisse und neue invasive Insektenarten", betont Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds.

Dauerbrenner Sommerhitze

Im Bausektor stellt die Vermeidung sommerlicher Überhitzung die größte Herausforderung dar. Dies bestätigt auch die diesjährige Expertenbefragung "Zukunft Bauen". Denn egal wie heiß es draußen ist: Drinnen wollen wir behaglich wohnen! Demzufolge zeigt ein genauerer Blick auf die aktuellen Ergebnisse, dass dieses Thema für 70 Prozent der Befragten "sehr wichtig" ist, für weitere 25 Prozent "wichtig" – "unwichtig" ist es für niemanden.

Dazu Ing. Johann Gerstmann, Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik: "Dieses Überwärmungsproblem müssen wir mit sogenannten passiven Maßnahmen lösen. Dies beinhaltet zum einen die Hitzeprävention am Tag, und zum anderen eine wirksame Nachtauskühlung." Untertags muss daher das Gebäude bestmöglich vor eindringenden Sonneneinstrahlen geschützt werden.

Andernfalls muss die solare Wärme – die Sonne strahlt immerhin mit bis zu 1 kW/m2 auf die Fenster – künstlich weggekühlt werden. Ein Vorgang, der wiederum je nach Art des Kühlsystems viel Energie kosten kann und die Außenluft zusätzlich aufheizt. Die Nachtauskühlung wiederum führt die in den Räumen gespeicherte Wärme nach außen ab, um das Gebäude fit für den nächsten Sommertag zu machen.

Achtung Dunkelfalle!

Doch beim wichtigen Schutz gegen Überwärmung darf die ausreichende Versorgung mit natürlichem Tageslicht nicht in den Hintergrund geraten: Denn Kunstlicht kann Tageslicht und dessen biologische, physiologische und psychologische Wirkung nicht ersetzen.

Nur den Energieeintrag zu sehen, würde bedeuten, auf zahlreiche positive Aspekte zu verzichten: Raumwirkung, Motivations- und Leistungssteigerung, Synchronisierung der inneren Uhr, Stärkung des Immunsystems etc. sind eng an die ausreichende Versorgung mit biologischem Licht geknüpft. "Es gibt mehrere Methoden, Gebäude gegen zu viel Sonneneinstrahlung zu schützen, aber nur wenige, die einem ganzheitlichen Anspruch gerecht werden", so Johann Gerstmann.

Tageslichtversorgung nimmt massiv ab

HandwerkSo nutzen zwar beispielsweise architektonische Konzepte bei südorientierten Fenstern den Schattenwurf, der durch Dachüberstände, Balkone und Loggien bei entsprechendem Sonnenstand entsteht. Da energieeffiziente Bauweisen von heute von Mai bis September ein erhöhtes Überwärmungs-Risiko aufweisen, werden Auskragungen von bis zu 2,5 Meter erforderlich.

Was dabei unberücksichtigt bleibt: Die Tageslichtversorgung nimmt massiv ab. Denn ein Überstand von 1,5 Metern reduziert den Lichteintrag im Mittel auf knapp die Hälfte gegenüber einem freien, unverbauten Lichteinfall und ein zusätzlicher Meter senkt das Lichtangebot auf rund ein Drittel. Und zwar das ganze Jahr über – also auch in der dunklen Jahreszeit.

Sichtbares Licht wird vermindert

Sonnenschutzglas wiederum wirkt, indem es das Lichtspektrum verändert: Es werden dabei über unsichtbare Schichten ganz gezielt einzelne Lichtspektren teilweise oder sogar zur Gänze gefiltert. Jedes Sonnenschutzglas kappt in der Regel das Infrarot, das unser Körper evolutionsbedingt benötigt, und reduziert auf diese Weise den Energieeintrag um ca. 50 Prozent.

Das reicht aber nicht aus, um vor Überwärmung zu schützen – weshalb in weiterer Folge gezielt das sichtbare Licht vermindert wird. Zudem haben diese Gläser oftmals einen Farbstich, der zwar gestalterische Akzente setzen mag, aber schlussendlich dazu führt, dass selektiv verändertes Tageslicht zu Mensch, Tier und Pflanzen in den Innenraum gelangt. Diesem fehlt ein beträchtlicher Teil seiner biologischen Wirkung. Je komplexer Verglasungen werden, umso geringer und qualitativ schlechter ist deren Lichtausbeute.

Johann Gerstmann: "Unterm Strich ist die Energiebilanz von Sonnenschutzgläsern und Fenstern mit Sonnenschutzfolien ziemlich dürftig. Beide reduzieren permanent den Eintrag von Sonne und Licht. Das reduziert zwar den Kühlenergiebedarf, steigert jedoch den Energiebedarf fürs Heizen und Beleuchten. Hinzu kommen noch die visuellen und nicht visuellen Auswirkungen für Bewohner und Nutzer."

Traditionelle Sonnenschutztechnik

Ob wir an sonnigen Tagen unsere Gebäude vor Überwärmung schützen möchten oder die Wärme der Sonne nutzen wollen, hängt von der Jahreszeit ab. Dem Tagesgang folgend, werden Ost-, Süd- und Westfassaden nicht gleichzeitig besonnt – eine permanente Verschattung widerspricht daher der Dynamik des Klimas. Optimal konzipierter Sonnenschutz ist variabel und folgt dieser Dynamik.

Nur so wird das natürliche Licht bestmöglich genutzt, die Einstrahlung im Sommer um bis zu 95 Prozent reduziert und die Sonnenenergie fürs Heizen in der kalten Jahreszeit genutzt. "Fenster sind die effektivsten "Solarpaneele", solange sie nicht mit Sonnenschutzbeschichtungen ausgerüstet werden", so Johann Gerstmann.

Die direkte Nutzung von erneuerbarer Sonnenenergie und der natürlichen Ressource Tageslicht durch variable Beschattungen wie Raffstore, Markisen und Läden bedeutet, dass diese Sonnenschutztechnik die effizienteste grüne Technologie der Haustechnik darstellt.

"Sommertauglichkeit mit passiven Technologien möglich"

Die Anschaffung smarter Lösungen amortisiert sich aufgrund der minimalen Betriebskosten und des geringen Wartungsaufwandes in wenigen Jahren, wenn man sie mit den Kosten einer aktiven Kühlung sowie eines höheren Heiz- und Beleuchtungsbedarfs vergleicht.

Johann Gerstmann abschließend: "Sommertauglichkeit von Gebäuden ist auch in Zeiten der Klimaerwärmung mit passiven Technologien möglich. Es bedarf allerdings einer ganzheitlichen Betrachtung und einer integralen Planung."

Vor allem in der Stadt plädiert der Experte für Verdunstungsflächen wie Brunnen und Wasserflächen und die Begrünung von Fassaden und Dächern. Begrünte Stadtlandschaften halten die Umgebungstemperatur im Vergleich zu nicht begrünten Gebieten um bis zu fünf Grad Celsius niedriger.

Dynamischer, variabler Sonnenschutz ist – ganzheitlich betrachtet – die beste Maßnahme gegen übermäßigen Eintrag von Wärme in Gebäude: Die Raumtemperatur kann bis zu zehn Grad unter der Außentemperatur gehalten werden, solange die Nachtauskühlung gelingt.

www.bvst.at